Ein Blog von Felix Nickel


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Dienstag, 2. Dezember 2008

Weihnachtliche Besinnlichkeit in Zeiten des Terrors


Vor einer Freilichtbühne sitzen etwa 50 junge Erwachsene im Schneidersitz und stimmen ein Lied an. Exotische Trommelrhythmen und Sitarklänge begleiten die Sänger. Ein junger Mann singt aus vollem Herzen und auch wenn ich die Sprache nicht verstehe, so wird mir doch durch den Ausdruck auf vielen der Gesichter deutlich, dass diese Menschen nicht nur einfach singen, sondern ihrer Überzeugung Ausdruck verleihen. Auf der Bühne erscheinen jetzt Frauen und Männer in prachtvoller Kleidung und beginnen zu tanzen. Farbenfroh und ausgelassen ist das Geschehen auf der Bühne des Campus des Tamil Theological Seminary (TTS), einem christlichen Priesterseminar in der südindischen Stadt Madurai. Die Darbietungen auf der Bühne, zwischen haushohen Palmen, sind nicht etwa Teil einer Folkloreveranstaltung, sondern eines Weihnachtsgottesdienstes, der hier schon anlässlich des ersten Advents stattfindet.
Pluralität ist das Leitmotto des Gottesdienstes und dieses Kirchenjahres am TTS. Auch ich nehme am Gottesdienst teil und singe mit dem englischsprachigen Chor. „Drum with joy the gift of colours/ shout with joy the gift of love./ Bringing hope to all creation/ celebrate plurality.” Als wir diese Zeilen singen, wird mir plötzlich klar, wie wichtig und nötig es ist, das friedliche Nebeneinander von drei Weltreligionen (Hinduismus, Christentum und Islam) im Vielvölkerstaat Indien zu fördern. „Drum with joy the gift of colours“, das ist angesichts der immer stärkeren Radikalisierung, vor allem von Muslimen und Hindus, ein dringlicher Appel gegen weitere Gewalt. Allein während der letzten drei Monate, in denen ich hier in Indien bin, haben religiöse Fundamentalisten viel Gewalt und Blutvergießen verursacht. Im August und September sind bei Unruhen im Bundesstaat Orissa Christen von Hindu-Extremisten geradezu gejagt worden, etliche kamen bei dieser Hatz zu Tode. Am 15. September explodierten in Delhi mehrere Sprengsätze einer islamistischen Terrorgruppe. Am 26. November waren nun die furchtbaren Terroranschläge in Bombay.

Eintracht? Davon sind die Religionen in Indien leider noch weit entfernt Foto: Felix Nickel

„Drum with joy the gift of colours“ – Diese Aussage kann auch an die vielen opportunistischen Politiker gerichtet sein, die die in Indien bestehenden Religionskonflikte schamlos ausnutzen oder sogar gezielt schüren, um an die Macht zu kommen.
Weihnachten soll ein Fest der Liebe sein, das wird an diesem Abend deutlich. Gottes Sohn wurde geboren und gab den Menschen Hoffnung. Auch die Teilnehmer dieses Abends schöpfen aus dem Glauben Hoffnung. Während des Gottesdienstes sind diese Hoffnungen neben persönlichen Anliegen wohl auch auf ein Ende der gewalttätigen Religionskonflikte bezogen. Selbst das christliche Fest der Liebe, bei uns eine Zeit der Besinnlichkeit, ist hier von dem Hass verblendeter Hindu-Nationalisten nicht sicher. Regelmäßig an Weihnachten werden Kirchen in Brand gesteckt.
„Preist mit Freude das Geschenk der Farben“ - Religiöse Pluralität als Geschenk anzusehen und nicht als störendes Element, dieses Denken ist gerade in Zeiten des Terrors nötig.