Ein Blog von Felix Nickel


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Montag, 27. Oktober 2008

Mit dem Bus nach Kodaikanal
Ein Ausflug in die grünen Berge

Bereits am 20. September fand unser Ausflug in die Berge statt. Mit einiger Verzögerung hier nun einige Eindrücke.


Es ist 6 Uhr und am Araparaylam-Busbahnhof im Süden Madurais herrscht schon ein reger Betrieb. Menschen schlängeln sich zwischen abfahrtbereiten Bussen hindurch, von denen einige in Deutschland sicher keine TÜV-Plakette mehr bekommen würden. Alle kleinen Läden rund um die Haltestelle sind schon hell erleuchtet - Wasserflaschen, Früchte, Säfte, Zeitungen, tamilische Süßigkeiten und Gebäckstücke und eine Fülle anderer Angebote stapeln sich in den Auslagen. Ein älterer Tamile, in ein Lunghi gekleidet, so nennt man das traditionelle bodenlange Lendentuch, trinkt gerade einen dampfenden Tee, der hier in Indien mit Milch und viel Zucker aufgebrüht wird. Schrille tamilische Popmusik schallt aus Lautsprechern, die garantiert auch noch die Müden unter dem Pulk von Menschen wachrüttelt, darunter auch wir.
Wir finden schließlich endlich den Bus, der uns in die Berge nach Kodaikanal bringen soll. Als ich in einer der Sitzreihen Platz nehmen will fällt mir einmal mehr auf, dass meine Körperdimensionen nicht mit den indischen übereinstimmen. Ich zwänge meine Beine in den viel zu engen Fußraum und bemerke, dass dieser Bus ja sogar über eine „Multimediaausstattung“ verfügt. Gerade ist der Busschaffner – ein Beruf, der bei uns schon lange ausgestorben ist – dabei eine DVD einzulegen. Kaum hat er den Abspielknopf betätigt, schon setzt ein ohrenbetäubendes Dröhnen ein. Aus den vier Boxen, die sich im Bus befinden plärrt ein tamilische Musik, wozu die Anfangsszenen des Filmes über den Bildschirm flackern. Der krächzende Klang bereitet mir Ohrenschmerzen und so bin ich erleichtert, als ich in meinem Rucksack die Oropax finde. Doch die Ohrstöpsel können die Lautstärke nur in geringem Maße verringern.
Der Bus setzt sich in Bewegung und schnell springen auch noch die letzten Fahrgäste über offenem Ein- und Ausstieg hinein. 40 Rupien kostet die dreieinhalbstündige Fahrt in die 120 km entfernte hill station, die 1845 von britischen Missionaren gegründet wurde, um der drückenden Hitze der Ebene zu entfliehen.
Unsere Fahrt führt zunächst durch die engen und überfüllten Straßen Madurais hinaus auf eine breite Landstraße. Der Busfahrer ist sich offenbar sicher, dass ihm alle anderen Verkehrsteilnehmer Vorfahrt gewähren und so heizt er über die Straße. Trotz der lauten Beschallung durch den Film ist das ständig ertönende tiefe Horn unseres schon etwas altersschwachen Busses nicht zu überhören. Da der Fahrer ständig überholt und wir eigentlich mehr auf der Gegenfahrbahn fahren als auf unserer Seite, hupt er ohne Unterlass um die Fahrzeuge vor ihm zu warnen. In den meisten Situationen schert er bei Gegenverkehr erst in letzter Minute ein, was der Fahrt einen zusätzlichen Nervenkitzel beschert. Für den Fahrer, der seelenruhig vor seinem riesigen Lenkrad sitzt, scheint diese Fahrweise jedoch normal.
Wir durchqueren Dörfer in denen ärmliche Lehmhäuser stehen, deren Dächer mit Palmwedeln gedeckt sind. Auf vielen gemauerten Häusern prangt riesig das Logo eines großen indischen Mobilfunkanbieters oder einer Betonfirma. Eine Gruppe von Frauen und jungen Männern trennt auf althergebrachte Weise die die Spreu vom Korn, indem das gedroschene Getreide mit Körben in die Luft geworfen wird.


Während auf dem Bildschirm ständig mit lautstarken Schreien geprügelt wird und lange Verfolgungsjagden stattfinden rattert unser schon etwas rostiges Gefährt durch eine über und über grüne Landschaft mit riesigen Bananenplantagen, Palmenhainen und einigen Tümpeln. In der Ferne zeichnen sich schon die dicht bewaldeten Berge ab, die sich abrupt über die Ebene erheben. Bald darauf beginnt auch die Straße immer stärker anzusteigen und schon kriechen wir mit röhrendem Motor die vielen Serpentinen hinauf. Wenn wir durch die Kurven fahren, kann ich in den Abgrund blicken, der sich links neben der Straße befindet. Einmal neigt sich unser Bus gefährlich nahe dem Abhang entgegen und ich atme auf als unser Gefährt wieder aufrichtet. Mit einem aggressiven Hupen nähern sich ständig kleinere Busse oder Autos von hinten, deren Fahrer trotz Kurven und schmaler Fahrbahn nicht vor waghalsigen Überholmanövern zurückschrecken.
Auf dem Fels tauchen immer häufiger tamilische Schriftzeichen auf und auch vermehrt englischen Slogans. „Save Tibet!“ oder „Free Tibet!“ steht dort in weißer Farbe auf dem Fels. Vielleicht fühlen sich die Bewohner des Gebirges hier besonders mit dem Bergvolk der Tibeter verbunden.Wir sind umgeben von tiefstem Wald aus dem manchmal ein paar Affen auftauchen. Agaven von der Größe eines Kleinwagens säumen die Straße deren riesige Dornen bedrohlich spitz aussehen.
Gegen 10 Uhr erreichen wir dann die Endstation und steigen am Busbahnhof von Kodaikanal aus. Etwas desorientiert blicken wir uns um,denn wir wissen nicht wie wir zu dem Büro eines Anwalts finden sollen, der uns in seinem Ferienhaus in Kodaikanal unterbringen will. Die zahlreichen Taxifahrer erkennen diese Unsicherheit und versuchen daraus Profit zu schlagen, indem sie ihre Dienste anpreisen.

Ein Kiosk am Busbahnhof von Kodaikanal Foto: (c) Felix Nickel

Wir machen uns schließlich zu Fuß auf den Weg und kommen schon bald am „Büro“, einem kleinen Steinhaus mit zwei Räumen, an. Der Anwalt ist leider nicht da und so stellen wir dort nur unser Gepäck unter um darauf die kleine Stadt, die sich an die Hänge der grünen Hochtäler klammert zu erkunden. Hier ist alles viel ruhiger und übersichtiger als in Madurai. Die angenehme Kühle, die uns umströmt ist eine wahre Erholung im Vergleich zu stickig warmen Luft in Madurai. Den Indern scheint schon recht kalt zu sein, denn viele tragen Wollpullover und Strickmützen und das bei 15 Grad! Als ich an die Wintertemperaturen in Deutschland denke muss ich bei diesem Anblick schmunzeln.
Vom Coacher’s Walk soll einen wundervollen Blick in die bewaldeten Täler um Kodaikanal haben und so machen wir uns auf den Weg dorthin. Für den Blick müssen wir zunächst einmal am Beginn des Weges 20 Rupien bezahlen um dann festzustellen, dass die Täler in dichtem Nebel liegen, der auch uns langsam einhüllt. Durch den Nebel dringen Blütendüfte und hier und dort kann man auch einmal einen Blick auf riesige Sträucher mit farbenfrohen Blüten erhaschen. Am Rande des Weges erblicke ich dann plötzlich einen roten Weihnachtsstern, der mit unseren deutschen Topfgewächsen aber nicht zu vergleichen ist – es handelt sich um einen Strauch von etwa 2 Metern Höhe. Die klare und gehaltvolle Gebirgsluft scheint nicht nur den Menschen gut zu tun.

Schon als wir ankamen, haben sich in der Ferne dunkle Wolken abgezeichnet und schon bald fängt es auch an zu regnen. „Jetzt ist eigentlich keine Touristenzeit hier“, meint unser äußerst netter Fahrer „Mr. Patrick“, der uns nach unserer Rückkehr zum Büro des Anwalts zu unserer Herberge, dem Ferienhaus des Anwalts bringt, das ein wenig vom Zentrum des Bergortes entfernt ist. Als wir dicht gedrängt in dem kleinen Bus die Straße emporfahren, scheint der Himmel seine Pforten geöffnet zu haben, denn es schüttet wie aus Eimern. Das Wasser schießt in Bächen die Straße hinunter, während Patrick unser Gefährt in Schlangenlinien um die zahlreichen Schlaglöcher manövriert. Langsam lässt der Regen nach und als wir auf das Gelände des Landhauses einbiegen, sehe ich eine Kuh die auf der Wiese neben dem Haus grast. Als wir aussteigen, beäugen uns zwei streunende Hunde mit argwöhnischem Blick.


Wir richten uns im Inneren des spartanisch ausgestatteten Ferienhauses ein und beginnen unser Abendbrot zu kochen. Die Wolkendecke ist wieder aufgerissen und lässt das goldene Licht des Sonnenuntergangs über die Hügel streichen. Ich gehe nach draußen und Atme tief ein – so eine klare und erfrischende Luft habe ich schon lange nicht mehr genossen. Alles scheint so friedlich rings herum – der Ruf des Muezzin schallt herüber und danach ist außer einem entfernten Hupen eines Autos nichts mehr zu hören. Stille. Nach den ersten lärmigen Wochen in Madurai ist es dieser niedrige Geräuschpegel eine wahre Erlösung. Ein wenig vom Haus entfernt stehen einige riesige Bäume, die die Rodung zur Landgewinnung unbeschadet überstanden zu haben scheinen. Durch einige Sträucher hindurch eröffnet sich ein Blick auf den See von Kodaikanal, dessen Wasserqualität streng überwacht wird und der komplett eingezäunt ist um „Übeltäter“ von der in Indien üblichen Entsorgung von Müll in Gewässern abhalten soll.

Einer der Hunde von vorhin kommt auf mich zugetrottet und legt sich dicht neben mich. Ich lasse mir ein Stück der herrlichen, handgemachten Schokolade (eine Spezialität von Kodaikanal), die ich vorhin gekauft habe auf der Zunge zergehen und genieße den Sonnenuntergang.