Ein Blog von Felix Nickel


Image and video hosting by TinyPic

Montag, 10. November 2008

Don't worry, be happy!
Entspannung pur in Varkala

Nachdem wir in den letzten Wochen seit unserer Rückkehr aus Delhi viel zu tun hatten, war dieses Wochenende die Zeit reif für einen Ausflug, um dem Lärm und Staub Madurais zu entfliehen.

Am Freitag setzten wir uns um 23.15 Uhr in einen Zug um nach Varkala zu gelangen. Dieser kleine Küstenort liegt in dem von Tamilnadu westlich gelegenen Bundesstaat Kerala und ist etwa 200 Kilometer Luftlinie von Madurai entfernt. Im Zug trafen wir noch zwei Franzosen, die auch in den Ort wollten, der laut Reiseführer „entschieden entspannt“ sein sollte. In freudiger Erwartung bald im schönen Kerala zu sein, schlief ich ein während unser Zug der Küste des Arabischen Ozeans entgegen rumpelte.

Palmen, Lagunen, blauer Himmel – ich blicke aus dem Zugfenster und habe Gefühl direkt ins Paradies zu schauen, als ich am nächsten Morgen aufwache. Ein Meer aus Grün breitet sich jenseits des Bahndamms aus. Simon schaut mich an und meint „Einfach nur krass!“, wobei ich ihm nur beipflichten kann. So eine tropische Landschaft kenne ich bisher nur von Bildern aus Reisemagazinen oder aus der GEO, doch die Wirkung der Bilder kann mit der Realität einfach nicht mithalten. Als wir um 8 Uhr nach gut 9 Stunden Zugfahrt in Varkala aussteigen, sind wir uns schon sicher, dass sich die nächtliche Zugfahrt auf jeden Fall gelohnt hat. Wir laden unser Gepäck in ein Taxi, dessen Fahrer uns zu unserem Hotel bringt, wo uns eine ungewöhnliche Ruhe empfängt - kein Hupen, keine starkbefahrenen Straßen. Zwischen etlichen Palmen und saftig grünen Sträuchern stehen in einigem Abstand Häuser, die vor allem im Dezember, der Hauptreisezeit, etliche Touristen beherbergen werden. Jetzt ist hier noch nicht übermäßig viel los.
Da das eigentliche Hotelgebäude unserer Herberge renoviert wird, bringt uns ein netter Keralese zu einem anderen Haus, dessen glänzender Marmorboden und großzügiger Eingangsbereich uns zum Staunen bringen, doch mit 400 Rupien pro Doppelzimmer ist dieses luxuriös anmutende Hotel selbst für uns erschwinglich. Von unserer Terrasse blickten wir in ein Meer von sattem Grün. „Einfach der Hammer!“ entfährt es mir bei diesem Anblick. Die Einheimischen Keralas nennen ihr Land auch gerne „god’s own country“, eine Ausdruck der mir zunächst großspurig vorkam, doch bei diesem Anblick kann ich diese Bezeichnung nachvollziehen.

Auch Inder sind von der Schönheit beeindruckt                           Foto (c) Felix Nickel

Schon bald nach unserer Ankunft machen wir uns auf den Weg zum Strand, der nur vier Minuten von unserer Herberge entfernt ist. Vorbei an weiteren kleinen Hotels laufen wir durch das über und über mit Palmen bewachsene Hinterland. Auf den grünen Freiflächen sehe ich hier und da einige Ziegen, die in der schwülen Hitze, die hier bereits um 10 Uhr herrscht, dahin dösen. Über einen schmalen Pfad gelangen wir schließlich zur Klippenpromenade mit ihren zahlreichen Läden und Restaurants. Die Klippen bestehen aus über 2,6 Millionen Jahren alten Sedimenten und bilden eine geologische Ausnahme an der sonst flachen Küste Keralas. Der von hier oben Blick übertrifft noch einmal alles was wir bisher gesehen haben. Vom Rand der grün bewachsenen und mit Palmen gesäumten Klippen blicke ich in eine Bucht, in der sich die Wellen des türkisblauen Arabischen Meeres am hellen Sandstrand brechen. Greifvögel kreisen über der Bucht, immer in Ausschau auf einen Fisch, den sie ergattern können.

Paradiesisch: Blick von den Klippen Varkala                                     Foto (c) Felix Nickel

Nach dem Frühstück in einem kleinen Restaurant mit Blick auf das Meer klettern wir eine behelfsmäßige Treppe zum Strand, dem Papanasam Beach, hinunter. Kaum sind wir unten angekommen, ist auch schon ein Keralese dabei einen Sonnenschirm in den weißen Sand zu rammen. Die Sonne scheint auf uns herab, Schatten ist weit und breit nicht in Sicht, sodass wir die 150 Rupien bezahlen. Der Strand ist nicht übermäßig gefüllt, doch rings um uns herum liegen ausschließlich Weiße. Rucksacktouristen mit langen Haaren und Bärten, junge Frauen im Bikini, Familien mit Kindern, Rentner. Alle genießen die ruhige Atmosphäre des Ortes und doch verwirrt mich der Anblick der vielen Weißen, die in Madurai eine Seltenheit sind. Während Frauen im Bikini die tropische Sonne genießen, geht eine indische Obstverkäuferin in ein Sari gehüllt zwischen den entblößten Körpern hindurch. Dieser Gegensatz macht mich ein wenig nachdenklich, denn es entspricht einfach nicht den Sitten des Landes, dass Frauen viel von ihrem Körper zeigen. Varkala ist wirklich eine Enklave und wirft einmal mehr die in mir Frage auf, in wieweit der Tourismus den Sitten des Landes mit Intoleranz begegnet. „Hier wird gar nicht erwartet, dass man sich anpasst“, meint Simon und irgendwie ist scheint diese Tatsache auch eine Grundlage für den touristischen Erfolg des Ortes zu sein.
Nun ist die Zeit gekommen, dass wir uns selber in die türkisene Flut werfen. Das Wasser hat Badewannentemperatur und ist einfach herrlich. Bald schon merke ich den Sog, der in der Bucht herrscht und mich abtreiben lässt. Schon im Reiseführer stand dass Varkalas Strände wegen ihrer Strömungen zu den gefährlichsten in Kerala zählen. Wir schwimmen nicht weit hinaus und genießen es uns die Brandung zu werfen. Die Tiefe des Meeres variiert innerhalb weniger Meter so stark, dass ich Mal bis zu den Knien im Wasser stehe und im nächsten Moment keinen Boden mehr unter den Füßen habe. Am Strand sitzen drei Rettungsschwimmer, die die Badenden im Auge behalten.

Foto (c) Felix Nickel

Als ich wieder auf meinem Handtuch liege, sehe ich draußen auf dem Meer zwei Fischerboote, die ein Netz ausgeworfen haben und es jetzt langsam einholen. Am Abend wird ein Teil des Fangs in den Küchen der zahlreichen Restaurants landen. Den gesamten Nachmittag verbringen wir mit Baden und Entspannen am Strand, der mit seiner Ruhe und Gelassenheit wirklich eine Erholung von dem Lärm Madurais ist. Als wir spät am Nachmittag wieder zurück zu unserer Herberge gehen habe ich das Gefühl schon mindestens eine Woche hier gewesen zu sein.
Zum Abendessen gehen wir in das „Rock ‘n‘ Roll Café“, an den Klippen, das wie viele andere Restaurants einen Tresen hat, wo sich die Gäste den Fisch, den sie Essen wollen, direkt auswählen können. Schwertfisch, Barrakuda, Tintenfische oder Garnelen liegen dort unter anderem zum Verzehr bereit. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und ich bestelle mir gegrillte Garnelen. Ein plötzlicher Stromausfall sorgt dafür, dass der gesamte Abschnitt nur noch in Kerzenlicht getaucht ist. An einem anderen Tisch beginnt eine Frau ein portugiesisches Lied zu singen, begleitet von einem Trommelrhythmus ihres Freundes.
Als Simon und ich nach dem Essen noch einen Cocktail trinken wollen, bemerken wir, dass wir nicht genug Bargeld bei uns haben. Der nächste Geldautomat ist fünf Kilometer vom Strand entfernt und so sind wir froh, dass uns ein Keralese aus einem Reisebüro hilft und uns per „Scheingeschäft“ ein paar Rupien von der Kreditkarte abbucht und auszahlt.
Wir verbringen einen heiteren Abend, an dem wir uns mit einem der Kellner anfreunden, der uns erzählt, dass er nachdem er hier ein Jahr in Varkala gearbeitet hat in seinen Heimatbundesstaat Andra Pradesh zurückkehren kann und ohne weiteres ein Restaurant aufmachen kann. Die Leute in der Bar sind alle älter als wir und Simon und ich müssen schmunzeln, als wir sehen, wie vierzigjährige Frauen auf Gangsta-Hiphop die Hüften schwingen. Auch die Angestellten haben ihren Spaß, denn auch sie tanzen mit. Als dann Bob Marley aus den Boxen schallt kann ich auch nicht mehr still halten und tanze mit.


Nach einer Nacht im Zug und einem Tag am Strand machen Simon und ich uns gegen Mitternacht glücklich über das Erlebte auf den Rückweg zum Hotel. Die Klippenpromenade ist fast ausgestorben und man hört nun noch deutlicher als am Tage die Brandung des Meeres. Wir stellen fest, dass die Inder hier auf jeden Fall viel offener und auch lockerer sind als bei uns in Madurai, eine angenehme Erfahrung nach drei Monaten in Tamilnadu.

Foto (c) Felix Nickel

Varkala – das ist für uns ein Ort der puren Gelassenheit an dem man einfach entspannen kann. Bereits am Tag unserer Abreise stet für uns eines fest: Wir kommen wieder!